- nachhaltige Entwicklung
- nachhaltige Entwicklung,Leitbild der Umwelt- und Entwicklungspolitik, das eine Integration beider Bereiche zum Ziel hat. Im deutschen Sprachraum als Bezeichnung für das ressourcenökonomische Prinzip der Forstwirtschaft des 18. Jahrhunderts entstanden, kommt nachhaltiger Entwicklung seit den 1980er-Jahren die oben genannte breitere Bedeutung zu. Als eine der zahlreichen deutschen Übersetzungen des im internationalen Raum geprägten Begriffs Sustainable Development wird nachhaltige Entwicklung heute allgemein als ein globaler Zivilisationsprozess interpretiert, der die Lebenssituation der heutigen Generation verbessert (Entwicklung) und gleichzeitig die Lebenschancen künftiger Generationen nicht gefährdet (Erhalt der Umwelt). Über Konkretisierungen und Umsetzungsmöglichkeiten von nachhaltiger Entwicklung herrschen im wissenschaftlichen und politischen Raum sehr unterschiedliche Auffassungen.Historische Wurzeln: Nachhaltigkeit in der deutschen ForstwirtschaftIm deutschen Sprachraum verwendete man den Begriff Nachhaltigkeit erstmals in der Forstwirtschaft des 18. Jahrhunderts (Hans Carl von Carlowitz [* 1645, ✝ 1714], 1713). Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde Nachhaltigkeit zum Prinzip des Waldbaus erklärt. Landwirtschaftliche Aktivitäten (Streunutzung und Niederwaldbetrieb) sowie zunehmender industrieller Holzbedarf (Berg- und Hüttenwerke, Eisenhämmer) hatten zu einer Übernutzung der Wälder geführt. Angesichts der knapper werdenden Holzbestände wurde unter nachhaltiger Forstwirtschaft zunächst eine Bewirtschaftungsweise verstanden, die auf einen möglichst hohen und dauerhaften Holzertrag der Wälder abzielte. Um diesen zu gewährleisten, sollte pro Jahr nicht mehr Holz geschlagen werden als nachwächst. Dieser rein ressourcenökonomischen Interpretation wurden noch im 19. Jahrhundert Vorstellungen von Nachhaltigkeit entgegengesetzt, die sich auf sämtliche Funktionen des Waldes bezogen. So halten die von dem damaligen Leiter der preußischen Staatsforstverwaltung Otto von Hagen formulierten »Allgemeinen Wirtschaftsgrundsätze« (1894) fest, dass mit dem Wald keine reine Gewinnwirtschaft zu betreiben sei, sondern seine Bewirtschaftung dem Allgemeinwohl zu dienen hätte, was u. a. die Aufrechterhaltung der Schutzfunktion des Waldes erfordere. In der forstwirtschaftlichen Praxis haben sich solche Ansätze lange nicht durchsetzen können. Nicht standortgerechte Baumarten und Monokulturen beherrschen heute noch das Erscheinungsbild der Wälder. Erst in jüngster Zeit gewinnen Bewirtschaftungsformen wie der naturnahe Waldbau an Bedeutung, die den Erhalt sämtlicher Funktionen des Waldes zum Ziel haben.Begriffliche Verallgemeinerung: Integration von Umwelt- und EntwicklungsideeIhre heute weit über die Forstwirtschaft hinausgehende Bedeutung verdankt die Idee der nachhaltigen Entwicklung der internationalen Umwelt- und Entwicklungsdiskussion, die in den späten 60er- und frühen 70er-Jahren in der westlichen Welt an gesellschaftlicher Relevanz gewann.Diese Entwicklung kulminierte im Jahr 1972, als gleichzeitig die erste große UN-Umweltkonferenz in Stockholm abgehalten, das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) gegründet und der erste Bericht an den Club of Rome »Grenzen des Wachstums« (Meadows-Studie) veröffentlicht wurden. Diese auf einem Computermodell basierende Studie kam zu dem Ergebnis, dass eine Fortschreibung von Bevölkerungswachstum, Ressourcenausbeutung und Umweltverschmutzung im Laufe der nächsten hundert Jahre zu einem ökologischen Kollaps - und in der Folge zu wirtschaftlichem Niedergang und Bevölkerungs-Schwund - führen müsse. Um diesem vorzubeugen, müsse ein Nullwachstum von Bevölkerungszahl und Industriepotenzial angestrebt werden.In den westlichen Gesellschaften stieß die Studie auf ein breites und überwiegend zustimmendes Echo. Harte Kritik oder gar strikte Ablehnung wurde seitens der Entwicklungsländer geäußert, die ihr elementares Bedürfnis nach wirtschaftlicher Entwicklung bedroht sahen. Eine ähnliche Haltung nahmen die traditionellen Wirtschaftswissenschaften ein, die mit Entschiedenheit die Thesen der modernen Wachstumstheorie vertraten, nach der schwindende Rohstoffreserven hinreichend durch andere Produktionsfaktoren wie Arbeit oder materielles Kapital (z. B. Industrieanlagen) substituiert werden könnten.Den wahrscheinlich wichtigsten Impuls zur globalen Integration von Umwelt- und Entwicklungskonzepten lieferte die 1983 unter dem Vorsitz der norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland eingesetzte UN-Kommission für Umwelt und Entwicklung mit der Vorlage des Berichts »Our Common Future« (»Brundtland-Report«, 1987). Die mit Politikern und Wissenschaftlern aus Industrie- und Entwicklungsländern besetzte Kommission prägte den Begriff Sustainable Development für eine Entwicklung, »die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können«. Die deutsche Ausgabe des Berichts übersetzt Sustainable Development mit dauerhafter Entwicklung. Nicht zuletzt wegen der historischen Wurzeln in der deutschen Forstwirtschaft hat sich jedoch in der Folge nachhaltige Entwicklung als Übersetzung durchgesetzt. In den 90er-Jahren erschienene Berichte sprechen auch von tragfähiger, dauerhaft umweltgerechter oder zukunftsfähiger Entwicklung. Erstmals in einem internationalen Dokument war 1980 von Sustainable Development die Rede. Die gemeinsam von IUCN (International Union for the Conservation of Nature), WWF (World Wildlife Fund, heute World Wide Fund for Nature) und UNEP veröffentlichte World Conservation Strategy interpretierte den Begriff jedoch primär ökologisch, indem sie den Erhalt von Ökosystemen in den Vordergrund stellte. Die Brundtland-Kommission rückte deutlich von dieser westlichen Naturschutzperspektive ab und betonte die Berechtigung der Entwicklungsinteressen der Länder des Südens. Erstmals definierte sie nachhaltige Entwicklung in einem sozioökonomischen Kontext. Erfolgreiche Bekämpfung der Armut, Befriedigung von Grundbedürfnissen sowie ausreichendes Wirtschaftswachstum wurden als Voraussetzung für physische Nachhaltigkeit eingestuft. Betont wurde jedoch auch die umgekehrte Richtung des Arguments: Physische Nachhaltigkeit sei ihrerseits Vorausetzung für eine langfristige wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Um all dies zu erreichen, sei eine verstärkte internationale Kooperation zwischen Nord und Süd nötig, die auf weltweites Wachstum bei gleichzeitig freieren und gerechteren Handelsbeziehungen angelegt ist. Das große Verdienst der Brundtland-Kommission besteht nicht zuletzt darin, dass sie die Diskussion über nachhaltige Entwicklung aus einzelnen Fachgremien heraus auf die Ebene multilateraler Politik gehoben hat und die Entwicklungsländer dabei in konstruktiver Weise mit einbezogen wurden. Kritik aus ökologischer Perspektive verdient jedoch die Empfehlung der Kommission, dass eine global nachhaltige Entwicklung hauptsächlich durch verstärktes Wirtschaftswachstum - gerade auch in den Industrieländern (»Engine-of-Growth-Theorie«) - und die Entwicklung neuer Technologien erreicht werden müsse. Der vom Wachstumszwang ausgehende Druck auf die natürlichen Ressourcen wurde nicht ausreichend problematisiert und die von der Meadows-Studie aufgeworfene Frage nach der Tragfähigkeit des herrschenden Entwicklungsmodells nicht ernsthaft aufgenommen. Besonders in dieser Empfehlung spiegelt sich der Kompromisscharakter des Berichts wider.An weltweiter Publizität gewann die Idee einer nachhaltigen Entwicklung durch die 1992 in Rio de Janeiro abgehaltene UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED, Erd-, Rio- oder Umweltgipfel). An dieser waren 178 Staaten, von denen mehr als 100 ihr Staatsoberhaupt entsandten, beteiligt. Dass die Konferenz trotz zum Teil ergebnisloser Vorbereitungstreffen nicht ohne Erfolge endete, wurde v. a. auf die außergewöhnliche Verhandlungsatmosphäre (»Geist von Rio«) und das besondere Engagement einzelner Staaten und Staatengruppen zurückgeführt sowie auf die umfangreiche Medienberichterstattung (in Nord und Süd) im Vorfeld der Konferenz, die den politischen Druck auf die Entscheidungsträger erhöhte.Auf dem Erdgipfel wurden folgende Dokumente unterzeichnet:1) die Klimarahmenkonvention mit dem Ziel einer »Stabilisierung der Treibhausgasemissionen in der Atmosphäre auf einem Niveau, auf dem eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems verhindert wird«;2) die Konvention über biologische Vielfalt (Biodiversitätskonvention) mit dem Ziel der »Erhaltung der biologischen Vielfalt, der nachhaltigen Nutzung ihrer Bestandteile und der gerechten Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile«;3) die Walderklärung mit dem Ziel »zur Bewirtschaftung, Erhaltung und nachhaltigen Entwicklung der Wälder beizutragen und deren vielfältige und sich gegenseitig ergänzenden Funktionen und Nutzungen zu sichern«;4) die Rio-Deklaration mit 27 Grundsätzen zu Umwelt und Entwicklung, worin u. a. festgehalten wird, dass »das Recht auf Entwicklung so erfüllt werden muss, dass den Entwicklungs- und Umweltbedürfnissen heutiger und künftiger Generationen in gerechter Weise entsprochen wird« und dass »angesichts der unterschiedlichen Beiträge zur Verschlechterung der globalen Umweltsituation die Staaten gemeinsame, jedoch unterschiedliche Verantwortung tragen. Die entwickelten Staaten erkennen ihre Verantwortung an, die sie beim weltweiten Streben nach nachhaltiger Entwicklung im Hinblick auf den Druck, den ihre Gesellschaften auf die globale Umwelt ausüben, sowie im Hinblick auf die ihnen zur Verfügung stehenden Technologien und Finanzmittel tragen«.5) Die Agenda 21, ein umfangreiches Aktionsprogramm für das 21. Jahrhundert. In 40 Kapiteln werden dort Handlungsfelder einer globalen nachhaltigen Entwicklung abgesteckt sowie Fragen der Umsetzung, der Rolle von Akteuren und der Finanzierung behandelt. Beschlossen wurde die Neueinrichtung einer UN-Kommission für nachhaltige Entwicklung (UNCSD), die die Umsetzung der Agenda 21 begleiten und fördern soll. Die Finanzierung des Aktionsprogramms, dessen Kosten auf jährlich 600 Mrd. US-Dollar geschätzt wurden, soll durch die Einrichtung eines neuen Fonds bei der Weltbank (Global Environmental Facility, GEF) unterstützt werden. Die Entwicklungsländer erhalten in diesem Gremium erweiterte Mitbestimmungsrechte über die Verwendung der Gelder.Für eine Einschätzung der Ergebnisse der Rio-Konferenz ist zunächst die Tatsache wichtig, dass keines der unterzeichneten Dokumente überprüfbare Verpflichtungen für die Vertragsstaaten enthält. Selbst die völkerrechtlich verbindlichen Konventionen zum Schutz des Erdklimas und zum Erhalt der Biodiversität stellen Rahmenvereinbarungen dar, deren ultimative Ziele erst durch ergänzende Vereinbarungen (z. B. in Form von Protokollen mit konkreten Verpflichtungen) erreichbar werden. Gänzlich ohne völkerrechtliche Relevanz sind die Rio-Deklaration, die Walderklärung und auch die Agenda 21. Aufgrund nicht ausräumbarer Meinungsverschiedenheiten treffen insbesondere diese Dokumente zu Schlüsselproblemen oftmals unklare oder gar widersprüchliche Aussagen (z. B. zu Bevölkerungswachstum, Schuldenproblematik, Umweltfolgen von Wirtschaftswachstum und intensiviertem Handel). Dieser Mangel wird u. a. auf die starre Haltung der Industrieländer zurückgeführt, die zwar ihre besondere Verantwortung sowohl für die Verursachung als auch für die Linderung globaler Umweltprobleme anerkannten, im Gegenzug jedoch nicht bereit waren, konkrete Zusagen für einen erweiterten Transfer von technischen und finanziellen Mitteln zu machen. Ein weiteres Entgegenkommen der Entwicklungsländer bei der Frage der Umweltverträglichkeit ihrer Entwicklung wurde dadurch erschwert, dass die Industrieländer nicht bereit waren, ihre eigenen Wirtschafts- und Konsummuster zum Gegenstand der Verhandlungen zu machen.Trotz dieser Unzulänglichkeiten ging von der Rio-Konferenz ein Impuls für die internationalen und für viele nationalen Umwelt- und Entwicklungsdebatten aus. Der Begriff nachhaltige Entwicklung ist seit Mitte der 90er-Jahre Bestandteil von politischen Programmen, Unternehmensphilosophien und gesellschaftlichen Diskursen.In zahlreichen Ländern wurden nationale Aktionsprogramme entwickelt (im Auftrag beziehungsweise auf Initiative der Regierungen u. a. in den Niederlanden, Großbritannien, Österreich, der Schweiz, den USA, die EU-Kommission hatte bereits kurz vor der Rio-Konferenz ein Aktionsprogramm vorgelegt). Unter zum Teil hoher Bürgerbeteiligung entstehen darüber hinaus eine wachsende Anzahl so genannter Lokaler Agenden 21, die den Beitrag der Kommunen zur Umsetzung der Rio-Beschlüsse konkretisieren sollen. Als bedeutende Stützen oder gar als Initiatoren dieser Prozesse erweisen sich in vielen Ländern die umwelt- und entwicklungsorientierten Nichtregierungsorganisationen (NGO).Auf internationaler Ebene war die Rio-Konferenz der Auftakt einer Serie von UN-Konferenzen, die sich direkt oder indirekt mit nachhaltiger Entwicklung beschäftigten (u. a. die Weltbevölkerungskonferenz 1994 in Kairo und der Weltsozialgipfel 1995 in Kopenhagen). Parallel dazu richten sich die Bemühungen darauf, die auf der Rio-Konferenz unterzeichneten und mittlerweile in Kraft getretenen Konventionen (Klimarahmenkonvention und Biodiversitätskonvention) durch ergänzende Protokolle zu konkretisieren. So sind die Vertragsstaaten der Klimakonvention auf ihrer ersten Konferenz 1995 in Berlin übereingekommen, bis 1997 ein Protokoll zu entwickeln, das für die Industrieländer Mengenziele für die Emission des Treibhausgases Kohlendioxid enthält. Dieses Protokoll (Kyōto-Protokoll) wurde auf der Klimakonferenz in Kyōto Ende 1997 verabschiedet und durch mehrere Nachfolgekonferenzen ratifizierbar gemacht. Auf der Weltklimakonferenz in Marrakesch im November 2001 einigten sich die Delegierten dann auf ein rechtlich verbindliches Protokoll zur Reduzierung der Treibhausgase und verabschiedeten ein Regelwerk zum Emissionshandel. Der Kompromiss bezüglich des CO2-Ausstoßes blieb allerdings weit hinter den Vorgaben des Kyōto-Protokolls zurück.Umstrittene KonkretisierungDie wachsende Diskrepanz zwischen gesellschaftlicher Verbreitung der Idee und unzureichender Umsetzung in praktische Politik ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass eine allgemeine akzeptierte Operationalisierung von nachhaltiger Entwicklung bisher nicht erreicht werden konnte.Wie die bereits im Brundtland-Report formulierte Forderung nach der Bewahrung der Lebenschancen künftiger Generationen zu konkretisieren ist, wird v. a. in den Wirtschaftswissenschaften anhaltend kontrovers diskutiert. Die neoklassische Denkschule geht davon aus, dass ein schwindendes Naturkapital (z. B. in Form von Umweltschäden oder schrumpfenden Ressourcenvorkommen) für zukünftige Generationen hinnehmbar ist, wenn ein gleichwertiger Ersatz an produktivem Potenzial (z. B. in Form von Wissen und technische Anlagen) geschaffen wird (schwache Nachhaltigkeit). Demgegenüber vertreten die Anhänger einer ökologischen Ökonomie die Position, dass ein Ersatz von Natur- durch Humankapital nicht vollständig möglich ist, weil nachhaltiges Wirtschaften auf einen kritischen Stock an Naturvermögen (z. B. in Form überlebenswichtiger Ökosystemfunktionen) nicht verzichten kann (starke Nachhaltigkeit). Differenzen bestehen ebenfalls bei der Frage, wie heute verursachte, aber zukünftig auftretende Umweltschäden beziehungsweise Ressourcenknappheiten zu bewerten sind.In dem Maße, wie die Grenzen der Naturbelastung messbar und gleichzeitig gesellschaftlich anerkannt werden, gewinnt die Frage an Bedeutung, wie die begrenzten Möglichkeiten der Naturnutzung gerecht verteilt werden können. Da die Rio-Deklaration das souveräne Recht der Einzelstaaten betont, ihre eigenen Ressourcen zu nutzen, wird diese Frage v. a. für die anerkannten globalen Gemeinschaftsgüter (»global commons«) wie z. B. die Atmosphäre oder die Ozeane diskutiert. Die ebenfalls in der Rio-Deklaration festgehaltene besondere Verantwortung der Industrieländer bei der Verursachung globaler Umweltprobleme fokussiert das Problem auf die Verteilung zwischen Nord und Süd. Die dabei entstehende Gerechtigkeitsfrage wird von zahlreichen Kommentatoren so beantwortet, dass im Prinzip jeder Mensch weltweit das gleiche Recht hat, die globalen Gemeinschaftsgüter in nachhaltiger Weise zu nutzen. Dieser Interpretation wird entgegengehalten, dass sie regional unterschiedliche Bedürftigkeiten und kulturelle Besonderheiten ignoriere. Weitreichender ist der Einwand, dass neben den unterschiedlichen Bedürftigkeiten auch das unterschiedliche Leistungsvermögen berücksichtigt werden müsse. Demnach sei das zulässige Nutzungsniveau eines Staates nicht nach der Größe seiner Bevölkerung, sondern nach seinem Beitrag zur globalen Wertschöpfung zu bestimmen.Um die Konkretisierung des Nachhaltigkeitskonzepts voranzutreiben, wird in der Agenda 21 die Entwicklung von Indikatoren gefordert. Auf diese Weise sollen Fortschritte in Richtung Nachhaltigkeit messbar gemacht und Entscheidungen auf allen Handlungsebenen erleichtert werden. Der vereinbarte Text hält fest, dass die Quantifizierung des Bruttosozialprodukts sowie einzelner Ressourcen- beziehungsweise Schadstoffströme dafür nicht ausreichend ist. Vielmehr müssten die wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen ökonomischer, ökologischer und sozialer Entwicklung bei der Indikatorenfindung berücksichtigt werden. Obwohl die Forschungsanstrengungen in diesem Bereich enorm zugenommen haben und das Thema eine hohe Priorität bei den Arbeiten der UNCSD hat, konnte bisher kein Konsens über ein Bündel allgemein verbindlicher Kenngrößen für nachhaltige Entwicklung gefunden werden. Neuere Vorschläge laufen auf eine große Zahl von Indikatoren für die Einzelbereiche Soziales, Ökologie, Ökonomie und Institutionen hinaus, die jeweils untergliedert sind nach Ursache, Zustand und gesellschaftlichem beziehungsweise politischem Handeln. Vorschläge zur Integration der Einzelbereiche wie z. B. der ISEW (Abkürzung für englisch Index for Sustainable Economic Welfare, deutsch »Index für nachhaltige ökonomische Wohlfahrt«) als Korrektiv zum ökonomischen Leitindikator Bruttosozialprodukt haben sich bisher nicht durchsetzen können.Umsetzungsstrategien: Bevölkerungskontrolle, Effizienz und SuffizienzEs besteht heute ein weitgehender Konsens darüber, dass das ressourcenintensive Entwicklungsmodell des Nordens nicht auf die ganze Welt übertragen werden kann, wenn die natürlichen Lebensgrundlagen erhalten werden sollen - schon gar nicht, wenn deren Bevölkerung in den nächsten 50 Jahren wie vorhergesagt auf 8-12 Mrd. Menschen anwächst. Ein unverzichtbares Element einer global nachhaltigen Entwicklung ist deshalb die Stabilisierung der Weltbevölkerung. Auf Grundprinzipien zur Erreichung dieses Ziels hat sich die Staatengemeinschaft auf der Weltbevölkerungskonferenz 1994 in Kairo geeinigt. Wichtige Schritte sind die Stärkung der Rolle der Frauen sowie die Bereitstellung neuer Mittel für Bildung und Gesundheitsfürsorge, besonders in den Entwicklungsländern mit rasch wachsender Bevölkerung. Doch selbst in einer Welt mit konstanter Bevölkerungszahl kann nicht für alle Menschen das heute in den Industrieländern erreichte Niveau an Ressourcenverbrauch und Umweltbelastung als Maßstab gelten, wenn die Lebenschancen zukünftiger Generationen bewahrt werden sollen. Der wichtigste Beitrag der Industrieländer zu einer global nachhaltigen Entwicklung besteht daher darin, ihre Lebens- und Wirtschaftsweise an die ökologischen Grenzen anzupassen.Auf volkswirtschaftlicher Ebene geht es darum, die Ressourcenintensität (z. B. Energie- oder Materialintensität) der Wertschöpfung zu verringern beziehungsweise ihren Kehrwert, die Ressourcenproduktivität, zu erhöhen. Eine solche Entkopplung der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung vom Ressourcenverbrauch wird oft als »qualitatives Wachstum« bezeichnet. Sie kann zum einen dadurch erreicht werden, dass der Energie- und Materialbedarf von Herstellungsprozessen, Produkten und Dienstleistungen durch technologische Innovationen gesenkt wird (Steigerung der Energie- beziehungsweise Materialeffizienz). Darüber hinaus ist ein Wandel der gesamten Wirtschaftsstruktur möglich, die mit einer Schrumpfung ressourcenintensiver Branchen und einem Wachstum ressourcenextensiver Branchen einhergeht (»ökologischer Strukturwandel«). Eine Strategie, die sich spezifischer auf einzelne Materialien, Emissionen und Abfälle bezieht, ist das Stoffstrommanagement. Hierunter wird die ganzheitliche Beeinflussung einzelner Stoffsysteme verstanden, die sich an ökologischen, ökonomischen und sozialen Zielen orientiert.Bei den Umsetzungsinstrumenten für die Erhöhung der Ressourcenproduktivität spielen neben Verbesserungen im Umweltrecht ökonomische Instrumente eine wichtige Rolle. Dazu wird auch die Idee einer »ökologischen Steuerreform« diskutiert. Neben anderen Varianten ist damit eine schrittweise Verteuerung knapper werdender natürlicher Ressourcen bei gleichzeitiger Verbilligung des Faktors Arbeit (durch Senkung der Lohnnebenkosten) gemeint.Es ist fraglich, ob technologische Verbesserungen und ökologischer Strukturwandel der Wirtschaft allein die Umwelt in ausreichendem Maße entlasten können. Zumindest die bisherige Erfahrung zeigt, dass diese Trends durch Bevölkerungswachstum (v. a. in den Entwicklungsländern) oder Wachstum der Nachfrage (v. a. in den Industrie- und Schwellenländern) aufgezehrt werden. Neben der Forderung, die Effizienz des Ressourceneinsatzes zu steigern, wird deshalb die Frage nach dem rechten Maß der Ansprüche an die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen gestellt (Suffizienz). So fordert die Agenda 21 nicht nur andere Wirtschaftsstrukturen, sondern auch eine Veränderung der Konsumgewohnheiten (nachhaltige Konsummuster) und ordnet den Industrieländern dabei eine Führungsrolle zu. Obwohl die Regierungen der Industriestaaten dieser Formulierung in Rio zustimmten, kommt die Diskussion über ökologisch verträgliche Konsum- und Lebensstile in ihren Gesellschaften nur sehr mühsam in Gang. Dennoch ist die Ökologie in vielen Ländern der westlichen Welt zum festen Bestandteil des Wertekanons geworden und beeinflusst in beträchtlichem Maße sowohl das Kaufverhalten der Konsumenten als auch die Werbestrategien der Produzenten. Noch ungelöst ist jedoch die Frage, wie die empirisch belegte Lücke zwischen gesellschaftlichem Umweltbewusstsein und zielgerichtetem Umwelthandeln überbrückt werden kann.Unsere gemeinsame Zukunft. Der Brundtland-Bericht. Weltkommission für Umwelt u. Entwicklung, hg. v. V. Hauff (a. d. Engl., 1987);W. M. Adams: Green development. Environment and sustainability in the Third World (London 1990, Nachdr. ebd. 1993);The »Earth Summit« agreements. A guide and assessment, Beitrr. v. M. Grubb u. a. (London 1993, Nachdr. ebd. 1995);H.-J. Harborth: Dauerhafte Entwicklung statt globaler Selbstzerstörung. Eine Einf. in das Konzept des »sustainable development« (21993);Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit, Beitrr. v. D. L. Meadows u. a. (a. d. Amerikan., 161994);Die Industriegesellschaft gestalten. Perspektiven für einen nachhaltigen Umgang mit Stoff- u. Materialströmen, hg. v. der Enquete-Kommission »Schutz des Menschen u. der Umwelt. ..« des 12. Dt. Bundestages (1994);D. Reid: Sustainable development. An introductory guide (London 1995);Umweltgutachten 1996, hg. vom Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (1996);E. U. von Weizsäcker: Erdpolitik (51997);Zukunftsfähiges Dtl. Ein Beitr. zu einer global n. E., Beitrr. v. R. Loske u. a. (Basel 51998).Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:Landwirtschaft: Integrierter Landbau, ökologischer Landbaubiologische Vielfalt und die Verantwortung des Menschen
Universal-Lexikon. 2012.